{l} Aussaat – Hilde Domin

In das Blumenbeet

meiner Hüften

will ich deine Augen säen

ehe die goldenen Blätter

fallen und uns zudecken.

Damit sie im Frühling

mit den Narzissen und Hyazinthen

die neuen Lider öffnen.

Herweg, Nikola (Hg.), Hilde Domin – Gesammelte Gedichte, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009, S. 201

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Das Blumenbeet meiner Hüften. Verdichtete Sprache, die so viel mehr sagt,als nur diese 31 Worte, die oben stehen.

Hier in München gibt es etwas sehr schönes, ein Phänomen, einen Menschen, genannt “der Büchermann”. Solange es nicht regnet sitzt er stoisch hinter seinem Schachbrett vor dem rosa Unigebäude (“Schweinchenbau”) und hat auf Tischen und in Kisten pure Schätze ausgebreitet. Literatur. Aus aller Welt, aus allen Genres und Richtungen, gut oder schlecht erhalten, Antiquarisches, was man so und zu diesem Preis in keinem Laden findet. Bei ihm habe ich vor einer Woche den in rotes Leinen gebunden Sammelband von Hilde Domins Gedichten gefunden. Und möchte ihn nie wieder hergeben.

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Sprache ist nicht nur etwas Alltägliches, Sprache ist in allererster Linie einmal Kunst. So unglaubwürdig das klingt, umso revolutionärer ist die Vorstellung, dass unser tägliches Leben davon abhängt und maßgeblich davon mitgestaltet wird. Nichts ist so veränderbar und flexibel wie Sprache, nichts ist wichtiger und von nichts sind wir abhängiger als davon. Es gibt so viele verschiedene Ausprägungen, eigentlich gibt es Sprachen so viele wie es Menschen gibt. Für mich hat sie eine unglaubliche Fasziniation und Macht, die ich nicht richtig greifen kann.

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Wer sich darauf versteht sich richtig auszudrücken, hat einen Fuß in der Tür, egal bei was. Ich beispielsweise kann es auf den Tod nicht ausstehen, wenn sich Menschen nicht richtig artikulieren können. Wenn sie schreiben, wie ihnen der Mund gewachsen ist, wenn sie sprechen, als hätten sie keine Selbstachtung. Gerade durch die Medien und vor allem durch das ständige Chatten und schnelle Kommunizieren geht so viel an wertvollen Sprachlichkeiten verloren. Die wenigsten von uns verwenden noch so wunderschöne Formulierungen wie “wie dem auch sei-” oder “allenthalben”.

 

Achtsamer Gebrauch von Sprache und Selbstironie machen anziehend. Haha.

Tober

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